Entscheidungen treffen mit Cynefin

Verfasst von am 09. Februar 2017 in Allgemein

„Zu mancher richtigen Entscheidung kam es nur, weil der Weg zur falschen gerade nicht frei war.“
-Hans Krailsheimer

Erwerbstätige Menschen treffen hinsichtlich ihrer Arbeit Entscheidungen. Das zieht sich durch die Unternehmenslandschaft von Mikrobetrieben, über Kleinunternehmen bis zum transnationalen Global Player. Entscheidungen werden jedoch nicht nur auf Basis betriebswirtschaftlicher Rationalität, statistischen Voraussagen und effizienter Kosten-Nutzen-Abwägung getroffen, sondern basieren auf menschlicher Urteilsfähigkeit. Von besonderer Bedeutung ist diese Urteilsfähigkeit für Führungskräfte. Doch welcher Hilfsmittel können sich Führungskräfte bedienen, um heuristische Diagnosen in verschiedenen Kontexten zu erstellen und somit den Entscheidungsfindungsprozess zu erleichtern?

Ein hilfreiches Tool zur Einordnung von Problemen liefert der walisische Gelehrte Dave Snowden mit dem Cynefin-Modell. Snowden, früherer Mitarbeiter bei IBM entwickelte das Cynefin-Modell schon 1999, um verschiedene Typologien von Kontexten, verschiedenen Systemen zuordnen zu können. Durch die Weiterentwicklung des Modells konnte die Theorie komplexer adaptiver Systeme beschrieben werden, was der Auslöser war, um Cynefin als allgemeines Strategie-Modell für unterschiedlichste Firmen und Bereiche zu nutzen. 2007 erschien das Modell im Harvard Business Review, wo es den Fokus auf Führung innehatte. Heute erleichtert das Cynefin-Modell vielen Führungskräften, Entscheidungen auf Basis von Zuordnungen zu speziellen Kontexten zu treffen.

Einfacher Kontext

Ein Beispiel für einen einfachen Kontext ist ein technischer Fehler im Fließbandprozess. Wenn etwas schief läuft kann der Mitarbeiter das Problem identifizieren und angemessen reagieren. Der einfache Kontext charakterisiert sich dementsprechend durch eine erkennbare Ursache – Wirkung Beziehung. Normalerweise ist die richtige Lösung unbestritten und offensichtlich. Der einfache Kontext benötigt daher enge Führung und Delegation. Führungskräfte erkennen, beurteilen, und reagieren in diesem Fall. Viele Lösungen befinden sich im einfachen Kontext und können an Mitarbeiter delegiert werden. Dennoch kann es bei einfachen Kontexten zu Schwierigkeiten kommen. Besonders wenn man einen komplexen Kontext ständig vereinfachen will und diesen dann fälschlicherweise auf ein einfaches Schema beschränkt. Dadurch besteht die Gefahr, dass ein einfacher Kontext schnell ins chaotische wechselt. Führungspersonen sollten daher Mikromanagement vermeiden – dies können auch erfahrene Fachkräfte bewältigen – und sich auf die Veränderung des Kontextes fokussieren.

Komplizierter Kontext

Komplizierte Zusammenhänge, im Gegensatz zu einfachen Zusammenhängen, können viele richtige Lösungsansätze und Antworten haben und obwohl es einen klaren Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung gibt, kann ihn nicht jeder sehen. In komplizierten Zusammenhängen müssen Führungskräfte erkennen, analysieren, und reagieren. Diese Vorgehensweise ist nicht einfach und benötigt Expertise. Ein Beispiel aus dem Alltag: Der Fußballer weiß, dass er Schmerzen im Oberschenkel hat, braucht aber einen Arzt um eine exakte Diagnose zu erstellen. Um den komplizierter Kontext zu analysieren benötigt die Führungskraft oft ein Expertenteam, welches bei der Lösungsfindung unterstützt. Wenn Führungskräfte und Experten in einem Terrain arbeiten, dass für sie nicht im gewohnten Umfeld liegt, werden sie kreativer und finden mehr Lösungsmöglichkeiten. Das Treffen von Entscheidungen in komplizierten Kontexten kann eine lange Zeit beanspruchen. Daher muss es ist immer einen Austausch zwischen der Führungskraft und dem Expertenteam geben. Wenn diese Entscheidung jedoch auf unvollständigen Informationen basiert, dann handelt es sich nicht um einen komplizierten Zusammenhang sondern eher um eine komplexe Situation.

Komplexer Kontext

komplex 2

Um einen komplexen Kontext zu veranschaulichen, kann man einen Vergleich zwischen dem Computer und dem Regenwald ziehen. Den  Computer als statisches Produkt kann man Stück für Stück auseinanderschrauben und in gleicher Weise wieder komplett zusammensetzen. Summe ist also die Anzahl der Teile. Der Regenwald hingegen ist keine Konstante. Man kann ihn nicht einfach auseinanderbauen und wieder zusammensetzen, die Summe ist also mehr als ihre Teile. In einem komplizierten Kontext existiert mindestens eine richtige Antwort. In einem komplexen Kontext aber können die „richtigen“ Antworten nicht aufgespürt werden. In dieser Domäne kann man Zusammenhänge nur verstehen wenn man auf sie zurückblickt, da lineare Vorhersehbarkeit durch die ständige Veränderung nicht gegeben ist. Hilfreiche Muster treten jedoch hervor, wenn die Führungsraft Experimente zulässt welche auch scheitern dürfen. Dies bedeutet, dass Führungskräfte nicht um jeden Preis einen Prozess durchsetzen können. Führungskräfte probieren, erkennen und reagieren. Man braucht bei komplexen Zusammenhängen eher einen experimentellen Zugang, da der lineare Businessplan nicht mehr funktioniert.

Chaotischer Kontext

ChaotischIn chaotischen Kontexten nach richtigen Antworten zu suchen, wäre nutzlos. Die Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung sind unmöglich zu ermitteln, da kein überschaubares Muster besteht, sondern es ständig Verschiebungen gibt. Die Aufgabe der Führungskraft in einem chaotischen Kontext ist nicht primär die Lösungsfindung, sondern angemessenes Reagieren auf die Gegebenheit.

Die Führungskraft handelt, erkennt und reagiert. Die Führungskraft muss also zuerst handeln um die Ordnung wieder herzustellen, danach erkennen wo Stabilität vorhanden ist und wo nicht, um dann zu reagieren, indem sie die chaotische Situation zu einem komplizierten Kontext umwandelt. Dies hat den Vorteil, dass man Muster identifizieren, künftige Krisen verhindern und neue Chancen erkennen kann. Erfolgreiches Krisenmanagement ist schwer anwendbar in einem chaotischen Kontext, da die chaotische Situation nicht einordenbar sind. Ein Beispiel ist die Finanzkrise 2007. Diese Ereignisse waren nicht sofort verständlich, benötigten jedoch sofortigen Handlungsbedarf.

Unordnung

Die fünfte Domäne ist die Unordnung. In dieser Domäne ist es noch nicht eindeutig wie die Situation, bzw. ein Problem überhaupt eingeordnet werden kann.

Das heißt für Führungskräfte….

Sie sollten zuerst erkennen,  ob sie sich im einfachen, komplizierten, komplexen oder chaotischen Kontext befinden. Die Führungskraft muss wissen, wann sie Entscheidungen alleine fällen  und wann das Team in den Entscheidungsprozess mit einbezogen werden kann. In einfachen Kontexten kann die Führungskraft delegieren. In chaotischen Situationen benötigt die Führungskraft schnelles Handeln. In komplizierten Kontexten sollte das Expertenteam zu Rate gezogen werden. Im komplexen Kontext gibt es keinen festgelegten Entscheidungsmodus.

Warum wir das Cynefin-Modell in unserem Blog vorstellen:

Das Cynefin-Modell ist ein relativ neues Modell, um die Komplexität von Entscheidungen in Unternehmen zu verdeutlichen.  Für Teamentwickler, die mit Führungskräfteteams zusammenarbeiten ist das Cynefin-Modell ein gutes Instrument, um die verschiedenen Kontexte zu verdeutlichen und Strategien zu entwickeln. Im Coaching  kann das Modell für anstehende Entscheidungen genutzt werden. Im Führungstraining können mit Cynefin neue Impulse gesetzt werden.

Das Interview von Snowden zu den Grundzügen des Cynefin-Modells finden Sie hier: https://hbr.org/2007/11/a-leaders-framework-for-decision-making/. Wenn Sie  sich für die  Thematik der Komplexität interessieren, können Sie hier einen kurzen Überblick gewinnen.

Für interessierte Teamentwickler findet sich auf dem Cognitive-Edge Blog von Snowden (http://cognitive-edge.com/blog) eine große Auswahl von Themen rund um das Cynefin, die das Modell nochmals in allen Facetten erläutern, veranschaulichen und vertiefen. Desweitern deckt der Blog viele interessante Themen rund um „Agilität, Komplexität und Sinnstiftung in der Unternehmenswelt ab. Als Trainer und Teamentwickler finden Sie hier mit Sicherheit interessante neue Ansätze für Ihrem nächsten anstehenden Workshop.

– Lorcan Carey